Gott wird dir nicht vergeben, denn er hat dich nie verurteilt

Dies ist kein religiöser Artikel. Zwar benutze ich den Ausdruck Gott oder auch die göttliche Vollkommenheit, doch du kannst es völlig beliebig für dich ersetzen. Nenn es Quelle, Essenz, Licht, Lebenskraft, Paul oder Claire, es spielt keine Rolle, wie du es bezeichnest. Es ist ein Mysterium. Ob wir dieses Mysterium jemals in seiner Gänze erkennen können, während wir in unserem wundervollen physischen Körper mit seinem brillanten Verstand verweilen, bleibt tatsächlich fragwürdig. Mit Worten wird es mir jedenfalls nicht gelingen, dies bis in den Kern definieren zu können. Möchte ich auch gar nicht, doch ich kann sie fühlen, die göttliche Vollkommenheit, den Frieden in mir und dazu gebe ich meinem Verstand eine Pause, und lasse Ausdehnung zu, werde weit in meinem Herzen, atme und verweile - zu Hause.

Vor vielen Jahren wurde ich gemeinsam mit einer lieben Kollegin nach München eingeladen, in ein Frauenhaus. Man machte uns das Angebot, die Frauen mit ihren Kindern und den Betreuern des Hauses in regelmäßigen Abständen über ein Jahr zu begleiten. Für mich eine aufregende und neue Erfahrung. Ich freute mich sehr auf diese Herausforderung. Ohne Vorurteile und großes Wissen über Frauenhäuser machten wir uns auf den Weg. Es fühlte sich für mich bedrückend an, als ich das Haus betrat, es war dunkel, kalt und irgendwie gespenstisch. Die Gesichter der Frauen und ihrer Kinder, die uns auf den Gängen begegneten, sahen müde und fahl aus. Die Augen voller Trauer und Leid. Die Körper geschändet von physischem und emotionalem Missbrauch. Leere Menschenhüllen, dumpf und antriebslos. Kein Lachen auf den Gängen, so wie ich es in unserer Gemeinschaft von unseren Kindern zu Hause kannte. Wie Blitze voller Gegensätze durchfuhren mich die Bilder meiner eigenen Erfahrung einerseits und die allgegenwärtige Realität andererseits. Mütter, die ihre Kinder anmaulten, während sie hochschwanger und mit der Kippe im Mund auf den Balkonen standen. Schimpfworte, die wie ein vielstimmiges Echo durch die Räume klangen. 

Teller klirrten. Mein System entspannte sich, endlich ein vertrauter Klang in meinen Ohren. Wir kamen an im Gemeinschaftsraum des Hauses, der sich langsam immer mehr füllte. Misstrauen schwappte uns entgegen. Null-Bock-Stimmung. Austherapierte Frauen, die ihre vergangenen Sitzungen beim Psychotherapeuten damit verbracht hatten, diese genau zu beobachten und zu studieren, ihre Sprache anzunehmen und mit dem zu antworten, was der Therapeut wissen wollte. Schnell war uns klar, dass wir hier nicht einfach mit einer Vorstellungsrunde oder ähnlichem starten konnten, es brauchte etwas ganz anderes. So begannen wir damit, jede Frau für das, was hinter all den sich darstellenden Dramen zeigte, wertzuschätzen. Wir schossen eine Liebesbombe nach der anderen in den Raum, wertschätzten auf der Herzebene und das Sein eines jeden einzelnen Menschen. Manche ließen sich berühren, andere nicht. Wir waren gefestigt darin, unser Licht weit auszudehnen und strahlen zu lassen, auch wenn und gerade weil wir an einem Ort waren, der von so viel Dunkelheit durchzogen war. 

Mir war mein Herz schwer und gleichfalls habe ich die Fähigkeit, die kleinen Funken, die ein jeder von uns in sich trägt, in jedem Einzelnen zu sehen. 

Die göttliche Vollkommenheit, die tief verankert in jeder kleinen Zelle schlummert. 

So hat sich eine unglaubliche Vertrautheit zwischen den Frauen und uns aufgebaut und ich habe es geliebt, mit ihnen in der Küche zu stehen, ihre Augen mehr und mehr funkeln zu sehen und zu spüren, das Lebendigkeit in ihnen erwacht. Hoffnung, dass noch etwas anderes für sie möglich ist. Uns war es verboten, sie zu umarmen, doch irgendwann hat sich eine Frau von sich aus in meine Arme gelegt und das war einer der berührendsten Momente für mich. Stille. Ich spürte ihren Herzschlag und die Tränen, die über meine Wangen liefen. Sie sagte mir, sie habe  sich noch nie einer Person so nah gefühlt. Ich spürte ihren Schmerz, den sie jahrelang in sich trug. Ich fühlte ihre Härte, die Mauer um ihr Herz und ebenso all ihre Zartheit dahinter. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, in der wir so dastanden, und doch war es nur ein Augenblick, der ein so großer Schatz war und es bis heute ist. Danach gab sie mir ihren Sohn auf den Arm und hinter dem Schleier seiner verweinten Augen offenbarte sich mir das gesamte Universum.

Es ist alles da. Es ist alles in uns. Wir können immer unser Herz öffnen, egal was uns passiert ist, wenn wir endlich aufhören uns selbst zu verurteilen, andere zu verurteilen und stattdessen miteinander in Beziehung gehen, ohne Bedingungen, ohne Erwartungen, ohne Geschichten übereinander, sondern einfach den Augenblick genießend. 

Es ist nicht der leichteste Weg, doch ein so lohnenswerter. 

Die Zeit im Frauenhaus war sehr kostbar in meinem Leben, auch wenn ich manchmal auf der Heimfahrt (etwa eineinhalb Stunden) an gefühlt jeder Tankstelle anhielt und jedes nur mögliche Magnumeis in dieser Zeit verschlang. Ich kannte alle Magnumsorten. An manchen Tagen ist unfassbar viel Druck in mir entstanden und ich war fassungslos über das, was in meiner unmittelbaren Nähe geschah. Doch ich konnte immer wieder in meinem Herzen den Anker finden, niemanden zu verurteilen für das, was dort alles passierte. Ich hatte das große Glück, dass mein Zuhause eine Gemeinschaft war, die mich auch nach solchen Tagen mit offenen Armen empfing, in die ich mich fallen lassen und den Schmerz einfach durchlassen konnte. Jede Träne war eine Befreiung, jede Umarmung ein so unglaubliches Geschenk.

Es passiert unendlich viel. In deinem Leben, wie auch in meinem Leben. Wir machen alle unsere Erfahrungen. Doch was machst du mit deinen? Schiebst du sie in Schubladen wie “wunderschön”, “WOW!”, “naja geht so”, oder “ohhhhjeee, das war eine schreckliche Situation”? Betitelst du Erfahrungen mit Betrug, Verletzung, Misshandlung oder Leugnung? Manches passiert unbewusst, manches in voller Absicht. 

All das gelebte, wie auch das nicht gelebte hat Konsequenzen, welche durch tiefe, unbewusst getroffene Entscheidungen im Moment des Geschehens unser Leben beeinflussen. 

Diese Entscheidungen setzen sich fest. Prägen sich ein. Speichern sich ab. Verhärten und verkrusten. Manchmal, vielleicht kennst du das, ruft eine Stimme in dir nach „Gerechtigkeit“ und „Vergeltung“ - einfach nur, damit es nicht mehr so weh tut. Auge um Auge. Zahn um Zahn. Dieses Rachegefühl, das sich ausbreitet und diesen bittersüßen Beigeschmack in sich trägt. So manches Erlebnis hast du sicherlich auch erfolgreich verdrängt, auf ein anderes wiederum eine Menge drauf gepackt, in der Hoffnung es zu vergessen. Unterdrückte Wut, Vorwürfe und Schuldzuweisungen kreisen in deinem System und prägen es nachhaltig. Unverständnis, Hass, Enttäuschung, Frustration, ein Meer aus Tränen, einsam ins Kissen geweint. Die Gewohnheit ist verdammt effektiv und langlebig. Bis du die Entscheidung triffst, diesen Kreislauf zu durchbrechen. 

Was auch immer in deinem Leben passiert ist, ist passiert. Du kannst es nicht ändern. Doch was du jetzt, da du erwachsen bist, verändern kannst, ist deine Beziehung zu dem, was passiert ist. 

Es geht nicht darum, das Ereignis schönzureden oder gut zu heißen. Es geht darum, auf Vergeltung, Widerstand und Kampf zu verzichten.

Jeder von uns darf seinen Teil der Geschichte zu sich nehmen. Wählst du Eigenverantwortung, heißt das wirklich „JA“ zum Leben zu sagen. Du hast die volle Entscheidungsmacht in deinem Leben - sie gehört ganz allein dir! Das heißt nicht, dass es sofort leichter wird, doch es wird intensiver.

Vielleicht versuchst du auch schon seit Jahren - mal mehr, mal weniger - eine Liste abzuarbeiten, die du dir irgendwann einmal auf Anraten geschrieben hast, mit all den Menschen darauf, denen du vergeben möchtest, doch naja, irgendwie stockt es. Und natürlich steht da auch, “vergiss dich selbst nicht. Dir zu vergeben ist das Wichtigste!”

Irgendwann fiel mir eine gewisse Arroganz in mir selbst auf, als ich zu jemandem sagte: “Ich vergebe dir.” Als ob ich jemals das Recht besessen hätte, ihn zu verurteilen, um danach zu sagen, es sei schon alles in Ordnung. 

Seltsam, oder? Gleichzeitig kenne ich den Schmerz des nicht vergeben Könnens, der wie ein dämonischer Samen in meinem Herzen ruhte und eine permanente Tür zur Selbstverletzung offen hielt.

Hältst du dir diese Tür offen, bekommt das Leiden in deinem Herzen Raum und es wird in dir über kurz oder lang wirklich Schaden anrichten. Ich selbst habe damit einige Erfahrungen gemacht. Diese zerstörerische Energie wird dich prägen, wenn du es zulässt. Dir das Leben schwer machen und die Art wie du Beziehungen lebst, beeinflussen. “Das werde ich dir niemals verzeihen”, ist ein Satz, der sich durch dein System gräbt. Mit der Folge, dass du immer jemand sein wirst, der die Schuld im Außen sucht, sich belogen, verraten und missbraucht fühlt.

Hier gibt es nicht wirklich etwas zu vergeben, sondern es gilt, der Stimme der Selbstverurteilung Einhalt zu gebieten, bis sie ganz verschwindet. Denn sonst wird dich der Schmerz von Innen heraus auffressen und das wirkliche Wunder des Lebens wird dich nie ganz berühren können.

Auch ich habe mit Menschen heilsame Vergebungsrituale durchgeführt, die teils auch sehr fruchtbar waren. Doch mittlerweile gibt mir der Satz “Ich höre auf, dich und mich zu verurteilen.” viel mehr Kraft, als um Vergebung zu bitten. Das ist Freiheit für mich. Hier lebe ich Frieden.

Die göttliche Vollkommenheit wird dich weder strafen, dir irgendetwas vorwerfen, noch nachtragend sein. Die göttliche Vollkommenheit ist dein Zuhause. Jede Zelle ist durchdrungen und codiert mit ihr. Sie ist ständig in Frieden und urteilt nie. Sie weiß um ihre Unsterblichkeit. 

Du schwingst und klingst auf dieser Ebene in höchster Ekstase, immer schon, auch jetzt, egal was sich gerade in deinem Leben abspielt. Es ist völlig egal, wie du dein Leben lebst, die göttliche Vollkommenheit erfreut sich, indem sie durch dich lebt. 

Das ist der Ort unendlicher Möglichkeiten. In meinem Weltbild kommen wir genau von dort und kehren heim an genau diesen Ort, wenn wir unseren Körper verlassen. In unserem Menschenleben wird die Schwingung in unserem Zellkern beständig aufrecht erhalten und es ist an uns, all das zu beseitigen, was ihr im Weg ist. Diese Welt ist dir vertraut, du kennst sie. Unsere Meisterschaft, sofern wir diese durchlaufen möchten, besteht darin, all das zu beseitigen, was uns daran hindert, diese Vollkommenheit und diesen Frieden vollumfänglich zu leben. Du bist so viel mehr als du glaubst zu sein. Es ist nicht immer leicht, dir dessen sicher zu sein, da du all deine Sinne einsetzt, um deine Realität festzustellen. Doch deine körperlichen Sinne können nicht immer dein nichtkörperliches Sein wahrnehmen. Doch deine nicht physischen Aspekte deines Selbst, all das Unbegrenzte, Unendliche, Ausgedehnte, all das ist so viel größer als dein körperlicher Teil und du kannst es jederzeit kennenlernen und ihm näher kommen.

Wenn du Unterstützung brauchst, weißt du wo du mich findest.

In Liebe Anne

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